Ist Saudi-Arabien das neue Fußball-Mekka?
Die Zahl internationaler Fußballstars in der saudischen Pro League wächst: Vergangenen Dienstag wechselte Neymar von Paris St. Germain zu Al-Hilal, einem der vier saudischen, weitgehend staatseigenen Topclubs - für ein Jahresgehalt von 200 Millionen Euro. Auch jüngere Spieler finden zunehmend den Weg in die absolute Monarchie. Geld regiert eben die Fußballwelt, meinen Kommentatoren.
Weltfußball vor neuer Zeitrechnung
Dass immer mehr Spieler dem Lockruf des saudischen Geldes erliegen, könnte für den europäischen Fußball bald zum Problem werden, warnt Die Presse:
„Angezogen von astronomischen Gehältern haben dieses Jahr schon über 30 namhafte Profis Europa den Rücken gekehrt und sind nach Saudiarabien übersiedelt. Klubs wie Liverpool, Barcelona oder Chelsea sind nur noch eine Notiz in deren Viten. Die Gegenwart für diese Fußballer heißt Al Ahli, Al Nassr oder Ettifaq FC. Die jüngsten Entwicklungen auf dem Transfermarkt rütteln schon an den Grundfesten des Weltfußballs. Würden ... auch noch Kylian Mbappé oder Erling Haaland, die aktuell Besten ihres Fachs, in die Wüste gehen, hätte Fußball-Europa endgültig ein Problem. Bei Mbappé ist Saudiarabien zumindest mit seinem ersten Vorstoß abgeblitzt.“
Der Zug ist schon lange abgefahren
Expresso sieht den Exodus von Fußballstars nach Riad und Dschidda als natürliche Konsequenz eines vom Geschäft bestimmten Sports:
„Saudi-Arabien, das täglich Öl im Wert von einer Milliarde Euro fördert, kann unendlich viel Geld für den Fußball ausgeben. Es hört erst damit auf, wenn es das will - solange keine Organisation die Regeln des Wettbewerbs oder des Fairplay garantiert. ... Finden wir es gut, dass die Spieler den echten Wettkampf und die Liebe zum Trikot gegen viele (viele) Millionen eintauschen? Nein, überhaupt nicht. Stört es uns, dass sie dies in einem Land tun, in dem die Menschenrechte systematisch verletzt werden? Natürlich. Aber man hat schon vorher aus dem Fussball ein Geschäft gemacht und die Augen vor dem Financial Fairplay verschlossen, und jetzt ist es zu spät. “
So bekommt Fansein Bedeutung
Für Zeit Online wäre es zu einfach gedacht, Saudi-Arabiens Expansion im internationalen Fußball als reine Imagekampagne zu deuten:
„Das spielt gewiss eine Rolle, aber es gibt auch einen anderen Grund. Das Interesse im Land an westlichen Luxus- und Unterhaltungsprodukten ist riesig, dazu gehören Apple-Geräte genauso wie Nike-Schuhe oder Fußballtrikots. Wieso sollten die Saudis aus der Ferne zuschauen und Trikots des FC Bayern München tragen, wenn sie sich eine eigene Liga kaufen können, die am Ende sogar attraktiven, erfolgreichen Fußball bietet? Erst dann hat das Fansein auch Bedeutung, es erzeugt Selbstbewusstsein und Identifikation.“
Die Politik macht es nicht besser
Internationale Politiker gehen mit schlechtem Beispiel voran, kritisiert Le Monde:
„Natürlich versucht der ehrgeizige Kronprinz auch das Image reinzuwaschen, das durch Menschenrechtsverletzungen und die steigende Zahl an Hinrichtungen beschmutzt ist. … Doch nicht nur Fußballspieler wie der feierfreudige Neymar lassen sich auf das Königreich ein. Auch die Präsidenten Joe Biden und Emmanuel Macron haben den Kontakt zu Mohammed bin Salman wieder verstärkt. Darüber hinaus wurde dieser ins Vereinigte Königreich eingeladen. Warum sollte man von Sportlern größere moralische Skrupel erwarten als von Politikern?“